Demenz in der Kinder- und Jugendliteratur
Krankheit als Metapher und narrative Struktur bei Georgi Gospodinov und Zoran Drvenkar
DOI:
https://doi.org/10.21248/gkjf-jb.170Abstract
Abstract[English title and abstract below]
Der Beitrag gibt einen Überblick über die Geschichte von Demenz und Alzheimer in der deutschsprachigen Kinder- und Jugendliteratur (KJL). Ausgehend von der Tradition der Krankheits- und Demenzerzählung in der Allgemeinliteratur sowie den aktuellen Debatten der Medical Anthropology und der Medical Humanities arbeite ich die Demenzerzählung als eine inter- und transgenerationelle Erzählung heraus. Eine Verschiebung des Fokus von persönlichen Familiengeschichte(n) hin zur kollektiven Geschichte wird anhand aktueller Erscheinungen in der Kinder- und Jugend- sowie in der Allgemeinliteratur festgemacht. In diesem Kontext ist Georgi Gospodinovs allgemeinliterarischer Roman Zeitzuflucht (bulg. 2020, dt. 2022) richtungsweisend für einen neuen ästhetischen Einsatz der Krankheit Demenz als „master illness“ der heutigen Gesellschaft und zugleich als tragende Allegorie für politische Veränderungen. In Zoran Drvenkars Kai zieht in den Krieg und kommt mit Opa zurück (2023) unternehmen Kai und sein dementer Großvater magisch anmutende Zeitreisen, die den unzuverlässigen Charakter der Erinnerung betonen. Denn gerade in ihrer Nachstellung und Revitalisierung im immersiven Erzählprozess zeigen sich Erinnerungen als idealisierte Produkte von Nostalgie, Trauma und Trauer. Die untersuchten Romane stellen damit die Demenzdiagnose als Möglichkeit dar, gesellschaftliche Großnarrative zu hinterfragen und zu korrigieren.
Dementia in Children’s and Young Adult Literature
Illness as Metaphor and Narrative Structure in the Works of Georgi Gospodinov and Zoran Drvenkar
This article provides an overview of the history of dementia and Alzheimer’s in German-language children’s and young adult literature. Based on the tradition of the illness and dementia narrative in the general literary system, as well as the current debates in medical anthropology and the medical humanities, I work out the dementia narrative as an inter- and transgenerational narrative. A shift in focus from personal family history(ies) to collective history is identified on the basis of current phenomena in young adult literature and general literature (Allgemeinliteratur). In this context, Georgi Gospodinov’s novel Zeitzuflucht (Bulgarian 2020, German 2022) points the way for a new aesthetic use of dementia as a ‘master illness’ of contemporary society and at the same time as a supporting allegory for political change. In Zoran Drvenkar’s Kai zieht in den Krieg und kommt mit Opa zurück (2023), Kai and his grandpa, who suffers from dementia, undertake seemingly magical journeys through time, emphasising the unreliable character of memory. For it is precisely in their re-enactment and revitalisation in the immersive narrative process that memories reveal themselves as idealised products of nostalgia, trauma and grief, thus presenting the diagnosis of dementia as an opportunity to question and correct societal grand narratives.
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